Mittwoch, 16. März 2011

Eure Armut kotzt mich an!

> Hiermit laden wir herzlich zum nächsten Ausstellungsprojekt ein! Parallel dazu werden in Kooperation mit dem Museum der bildenden Künste noch weitere Kunstprojekte und Diskussionen zur Thematik stattfinden.
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> EURE ARMUT KOTZT MICH AN!
> Der Obdachlose als 'role model' in der zeitgenössischen Kunst
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> Vernissage: 17. März // 20 Uhr
> Dauer der Ausstellung: 17. März – 16. April 2011
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> Götz Bury (Wien), Moritz Fehr (Berlin), Göran Gnaudschun (Potsdam), Fabian Hesse (München), Florian Kuhlmann (Düsseldorf), N55 (Kopenhagen), Danny Schulz (Leipzig), Daniel G. Schwarz (Leipzig)
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> Vernissage: 17. März 2011
> Buchpräsentation: 19. März 2011 (Museum der bildenden Künste Leipzig)
> Performance Gut Leben ohne nix: 2. April 2011
> Podiumsdiskussion: 16. April 2011
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> Materiell gesehen gilt derjenige als arm, der hungern muss, ohne Obdach ist und in Lumpen geht, dem es an physischer Stärke und sozialer Kompetenz mangelt, dem es an Einfluss, Ansehen und Wissen fehlt, dessen Rechte beeinträchtigt sind, der sich nicht verteidigen kann, der Verlassen ist und nicht von seiner Arbeitsleistung leben kann. Dabei reichen die Reaktionen auf Armut von Mitleid, Schuldgefühlen und Unbehagen über Angst und Aggression bis hin zu Verachtung und Ablehnung.
> Als abstraktes Phänomen gefasst ist Armut an sich nicht darstellbar, sondern manifestiert sich vielmehr in den Lebensumständen von Menschen und im Verhalten ihres gesellschaftlichen Umfelds. Kommunikation und Verhalten sind derart aufeinander abgestimmt, dass im Falle einer Überschreitung beziehungsweise Nicht-Einhaltung der ausgehandelten gesellschaftlichen Pflichten die entsprechenden Individuen an die Peripherie der Gesellschaft exkludiert werden. Dieser Verdrängungsprozess geht mit einem sozialen Abstieg einher. Die sichtbarste und gleichsam unterste Stufe von Armut bilden die Bettler und Obdachlosen.
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> VORSCHAU
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> 19. März 2011 // 16-20 Uhr
> Buchpräsentation und Diskussion:
> Ort: Museum der bildende Künste Leipzig
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> Dr. Nina Trauth (Kunsthistorikerin und Kuratorin, Trier)
> Andreas Pitz (Sozialarbeiter, Nierstein)
> Dr. Nike Bätzner (Kunsthistorikerin, Halle)
> Göran Gnaudschun (Künstler, Potsdam)
> Moderation: Dr. Michael Scholz-Hänsel (Kunsthistoriker, Leipzig)
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> INFO: Vorstellung der Publikation ARMUT IN DER KUNST DER MODERNE in der Kunst der Moderne, herausgegeben von. Dr. Michael Scholz-Hänsel und Franziska Eißner. Die offizielle Buchpräsentation findet im Rahmen der Buchmesse Leipzig im Museum der bildenden Künste Leipzig am 19. März statt.
> Die Texte der Publikation reflektieren den aktuellen Wissenstand bezüglich der Armutsdarstellung in der Kunst des 20. Jahrhunderts und liefern einen ersten thematischen Überblick zu diesem sehr aktuellen Thema. Dessen Relevanz bezeugt sich insbesondere im Wiederaufleben der alten Gegensätze zwischen Arm und Reich in Folge der Globalisierung aber auch im Aufkommen neuer Begriffe wie RELATIVE ARMUT und NEUE UNTERSCHICHT im politischen Diskurs. Auch die Kunst hat sich neu zum Thema Armut positioniert, wobei sich interessante Parallelen zwischen den ARMEN STILLLEBEN in der spanischen Malerei des 17. Jahrhunderts einerseits und der ARTE POVERA oder bestimmten Richtungen der Fotografie im 20. und 21. Jahrhundert andererseits ausmachen lassen.
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> 16. April 2011 // 17 Uhr
> Podiumsdiskussion
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> Prof. Elke Brüns (Dozentin und Bloggerin von Das Gespenst der Armut)
> Dr. Thomas Feist (Bundestagsabgeordneter CDU, Leipzig), angefragt
> Daniela Kolbe (Bundestagsabgeordnete SPD, Leipzig)
> Mike Nagler (Attac Leipzig)
> Benjamin Nover (Obdachloser und Autor)
> Moderation: Pfarrer Bernhard Stief (Nikolaikirche Leipzig)
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> Wir freuen uns sehr auf euren Besuch,
> die Galerie KUB
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> galerie KUB
> kantstrasse 18 . 04275 . leipzig . germany
> exhibitions . concerts . performancefestival blauverschiebung
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Dienstag, 15. März 2011

90 min. live

"90 min. live" präsentiert eine Ausstellung im Format einer Performance. Der Ausstellungsraum Selfservice, der für sein ambitioniertes Programm mit jungen KünstlerInnen bekannt ist, öffnet sich für einen Abend für eine vielfältige und ungewöhnliche Präsentation. Neben Projekten aus dem Bereich der bildenden Kunst werden gleichberechtigt Angebote aus anderen kreativen Branchen vorgestellt, darunter eine professionelle Fotografin, ein Kosmetikstudio und ein Bräunungssystem. Im Stile einer Messe werden die unterschiedlichen Beiträge durch eine Moderation in eine Choreografie gebracht, in der kommerzielle und künstlerische Projekte ineinander übergehen und ihre Grenzen verschwimmen. Die Präsentation wird aufgezeichnet und anschließend als Film veröffentlicht.
Seit der Moderne ist die Ausstellung die wichtigste Form, in der wir Kunst wahrnehmen. Damit steht nicht mehr ihre individuelle Kontemplation, sondern vielmehr ihr öffentlicher Gebrauch im Vordergrund. Die Ausstellung ist jedoch, wie bereits Walter Benjamin in seinem Kunstwerk-Aufsatz unterstrich, kein originäres Medium der Kunst, sondern sie begegnet hier anderen Wahrnehmungsformen, vor allem aus dem Bereich der Warenpräsentation und dem Kommerz. "90 min. live" greift diese Schnittstelle auf und verdichtet sie performativ in einer Art unvermittelten Begegnung. Die Interessen an der Präsentation mögen andere sein, sie teilen jedoch ihre Vermittlungsstrategien und einige ästhetische Vorlieben.
Die Einbindung kommerzieller Präsentationsverfahren in den Bereich der Kunst erinnert an künstlerische Ansätze aus den 1980er Jahren, etwa an Jeff Koons' oder Haim Steinbachs Skulpturen aus übernommenen oder verfremdeten Objekten aus der alltäglichen Warenwelt. Eine andere Referenz könnte in Guillaume Bijls hyperrealistischen Szenarien liegen, wie seinem in aller Detailtreue nachgebauten Supermarkt in einem Museum. Anders als diese Projekte setzt "90 min. live" jedoch nicht nur auf eine Aneignung kommerzieller Codes in künstlerischen Arbeiten, sondern legt es auf eine unvermittelte Begegnung an, in der die kommerziellen Beiträge ebenso vom künstlerischen Rahmen der Präsentation profitieren, etwa um neue potentielle Kunden anzusprechen. Die Kriterien für die Beurteilung des Abends werden sich erst während des Abends herausstellen.
Text  Axel Wieder